Die Situation der Sinti*zze und Rom*nja nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab Mitte der 1950er Jahre betitelte die kommunistische Herrschaft Rom*nja als soziale Gruppe mit „zurückgebliebener Lebensweise“, die umerzogen werden müsse. Ab 1958 wurde zusätzlich das „Vagabundieren“ gesetzlich verboten. Ab 1965 begann das kommunistische Regime gezielt, Roma-Siedlungen aufzulösen. Die Zwangsassimilierung führte dazu, dass viele Rom*nja heute ihre eigene Sprache Romanes nicht mehr sprechen. Auch heute noch werden in Tschechien Rom*nja systematisch diskriminiert und gesellschaftlich exkludiert. Jedes dritte Roma-Kind besucht eine Sonderschule für geistig behinderte Kinder – obwohl sie nicht geistig behindert sind. Offiziell werden Rom*nja im tschechisch-politischen Sprachgebrauch als „sozial nicht anpassungsfähige Bürger*innen“ bezeichnet. Trotz einiger Konzepte zur Integration von Rom*nja – wie etwa den „Nationalen Aktionsplan zur inklusiven Bildung“ oder die „Strategie für die Integration der Roma“ – ist die ablehnende Haltung gegenüber dieser Minderheit in Tschechien noch weitverbreitet und wird kommunalpolitisch stetig weitergetragen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab Mitte der 1950er Jahre betitelte die kommunistische Herrschaft Rom*nja als soziale Gruppe mit „zurückgebliebener Lebensweise“, die umerzogen werden müsse. Ab 1958 wurde zusätzlich das „Vagabundieren“ gesetzlich verboten. Ab 1965 begann das kommunistische Regime gezielt, Roma-Siedlungen aufzulösen. Die Zwangsassimilierung führte dazu, dass viele Rom*nja heute ihre eigene Sprache Romanes nicht mehr sprechen. Auch heute noch werden in Tschechien Rom*nja systematisch diskriminiert und gesellschaftlich exkludiert. Jedes dritte Roma-Kind besucht eine Sonderschule für geistig behinderte Kinder – obwohl sie nicht geistig behindert sind. Offiziell werden Rom*nja im tschechisch-politischen Sprachgebrauch als „sozial nicht anpassungsfähige Bürger*innen“ bezeichnet. Trotz einiger Konzepte zur Integration von Rom*nja – wie etwa den „Nationalen Aktionsplan zur inklusiven Bildung“ oder die „Strategie für die Integration der Roma“ – ist die ablehnende Haltung gegenüber dieser Minderheit in Tschechien noch weitverbreitet und wird kommunalpolitisch stetig weitergetragen.
Diskriminierung der Sinti*zze und Rom*nja in der Tschechoslowakischen Republik
Sinti*zze und Rom*nja wurden schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg politisch degradiert – verschiedene Diskriminierungen wurden auch in rechtlichen Bestimmungen festgeschrieben. So erließ die tschechoslowakische Regierung in einem Senatsbeschluss vom 14. Juli 1927 das Gesetz 117/1927 über „Zigeuner und ähnliche arbeitsscheue Landstreicher“. Von nun an konnten Rom*nja durch sogenannte „Zigeunerausweise“ behördlich erfasst werden, es wurden regionale Aufenthaltsverbote erlassen. Nach Paragraph 12 konnten Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren an Pflegefamilien übergeben werden, um diese anständig anzupassen. Nach der Annexion des Sudetenlandes durch Deutschland sowie der erzwungenen Unterzeichnung des „Protektoratsvertrags“ übernahm der Reichsprotektor Böhmen und Mährens, Konstantin von Neurath, alle bisherigen diskriminierenden Bestimmungen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja und erweiterte die Anordnungen im Jahr 1940 um den unmittelbaren Bau mehrerer „Zigeunerlager“.
Sinti*zze und Rom*nja wurden schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg politisch degradiert – verschiedene Diskriminierungen wurden auch in rechtlichen Bestimmungen festgeschrieben. So erließ die tschechoslowakische Regierung in einem Senatsbeschluss vom 14. Juli 1927 das Gesetz 117/1927 über „Zigeuner und ähnliche arbeitsscheue Landstreicher“. Von nun an konnten Rom*nja durch sogenannte „Zigeunerausweise“ behördlich erfasst werden, es wurden regionale Aufenthaltsverbote erlassen. Nach Paragraph 12 konnten Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren an Pflegefamilien übergeben werden, um diese anständig anzupassen. Nach der Annexion des Sudetenlandes durch Deutschland sowie der erzwungenen Unterzeichnung des „Protektoratsvertrags“ übernahm der Reichsprotektor Böhmen und Mährens, Konstantin von Neurath, alle bisherigen diskriminierenden Bestimmungen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja und erweiterte die Anordnungen im Jahr 1940 um den unmittelbaren Bau mehrerer „Zigeunerlager“.
Anerkennung des Genozids an Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde jahrzehntelang nicht öffentlich an den Völkermord an Sinti*zze und Rom*nja erinnert. In der 1949 gegründeten Bundesrepublik fand weder eine juristische oder moralische Aufarbeitung statt, noch wurden die Opfer materiell entschädigt. Auch in den entstehenden Gedenk- und Erinnerungsstätten fand das Verbrechen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja kaum Beachtung. Aus der Erkenntnis der notwendigen Aufarbeitung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja und der Feststellung, dass eine staatliche Aufarbeitung der Verbrechen und eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus nicht ohne Weiteres vorgenommen wird, hatten sich ehemalige im NS verfolgte Sinti*zze und Rom*nja selbst organisiert und Ende der 1970er Jahre die ersten Organisationen Deutscher Sinti und Roma gegründet. Einer der Vorreiter dieser Bewegungen war Otto Rosenberg, der Mitbegründer der Cinti Union Berlin e.V., aus der der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V. hervor ging. Im Jahr 1982 schlossen sich die verschiedenen Landesverbände zum Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zusammen. Durch den vielfachen regionalen, politischen Aktivismus der verschiedenen Selbstorganisationen und die Flankierung dieser Lobbyarbeit durch den Zentralrat, wurde der Völkermord mehr und mehr in das öffentliche Bewusstsein gerückt. 1982 erkannte die Bundesregierung unter Helmut Schmidt erstmals die an Sinti*zze und Rom*nja begangenen Verbrechen offiziell als Völkermord an. Durch kontinuierliche Erinnerungsarbeit unterschiedlicher Verbände und Aktivist*innen, z. B. auf dem ehemaligen Gelände des Zwangslagers Berlin-Marzahn, durch die 1997 eröffnete Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, der Eröffnung der Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn 2011 oder durch die Errichtung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti*zze und Rom*nja Europas 2012 in Berlin-Mitte, findet der Völkermord an den Sinti*zze und Rom*nja während der NS-Zeit nach und nach in der breiten Öffentlichkeit mehr Beachtung.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde jahrzehntelang nicht öffentlich an den Völkermord an Sinti*zze und Rom*nja erinnert. In der 1949 gegründeten Bundesrepublik fand weder eine juristische oder moralische Aufarbeitung statt, noch wurden die Opfer materiell entschädigt. Auch in den entstehenden Gedenk- und Erinnerungsstätten fand das Verbrechen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja kaum Beachtung. Aus der Erkenntnis der notwendigen Aufarbeitung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja und der Feststellung, dass eine staatliche Aufarbeitung der Verbrechen und eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus nicht ohne Weiteres vorgenommen wird, hatten sich ehemalige im NS verfolgte Sinti*zze und Rom*nja selbst organisiert und Ende der 1970er Jahre die ersten Organisationen Deutscher Sinti und Roma gegründet. Einer der Vorreiter dieser Bewegungen war Otto Rosenberg, der Mitbegründer der Cinti Union Berlin e.V., aus der der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V. hervor ging. Im Jahr 1982 schlossen sich die verschiedenen Landesverbände zum Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zusammen. Durch den vielfachen regionalen, politischen Aktivismus der verschiedenen Selbstorganisationen und die Flankierung dieser Lobbyarbeit durch den Zentralrat, wurde der Völkermord mehr und mehr in das öffentliche Bewusstsein gerückt. 1982 erkannte die Bundesregierung unter Helmut Schmidt erstmals die an Sinti*zze und Rom*nja begangenen Verbrechen offiziell als Völkermord an. Durch kontinuierliche Erinnerungsarbeit unterschiedlicher Verbände und Aktivist*innen, z. B. auf dem ehemaligen Gelände des Zwangslagers Berlin-Marzahn, durch die 1997 eröffnete Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, der Eröffnung der Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn 2011 oder durch die Errichtung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti*zze und Rom*nja Europas 2012 in Berlin-Mitte, findet der Völkermord an den Sinti*zze und Rom*nja während der NS-Zeit nach und nach in der breiten Öffentlichkeit mehr Beachtung.
Im Jahr 1982 erkannte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den Völkermord an Sinti*zze und Rom*nja durch die Nationalsozialisten offiziell an.
Dokuzentrum Sinti und Roma, gemeinfrei
… und heute? Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja in Tschechien
In Tschechien zeichnet sich ein drastisches Bild: Aus einer Umfrage des soziologischen Instituts der tschechischen Akademie der Wissenschaft aus dem Jahr 2015 zu Minderheiten in Tschechien geht hervor, dass gegenüber Rom*nja auch aktuell noch starke Vorurteile vorherrschen und diese dazu führen, dass sie in nahezu allen abgefragten Kategorien mit bstand am schlechtesten bewertet werden – völlig unabhängig von Bildungsgrad oder Alter der Befragten. 58% halten Rom*nja für extrem faul, 82% sind der Meinung, dass sie sich überhaupt nicht, bzw. kaum an Gesetze halten. Gleichzeitig kommt ein Bericht der tschechischen Regierung aus dem Jahr 2018 zu dem Ergebnis, dass rund 82% der tschechischen Rom*nja „sozial ausgegrenzt" sind und einen sehr schlechten Zugang zu Dienstleistungen, Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeit haben.
Aktivismus der Rom*nja in Tschechien und Kampf für Gleichberechtigung
Die vorurteilsbelastete Lebenssituation vieler Sinti*zze und Rom*nja erweckt wiederum auch in Tschechien wache Geister, die zum Widerstand aufrufen. So setzen sich heute einige Organisationen für die Belange der Rom*nja ein. Das News-Portal Romea bietet einen flächendeckenden Informationsservice in tschechischer und englischer Sprache und betreibt einen eigenen TV-Kanal. Zudem können sich Roma-Studierende auf ein Stipendium bewerben. Die Organisation In IUSTITIA wiederum setzt sich aus Anwält*innen und Sozialarbeiter*innen zusammen und geht aktiv gegen Gewalt- oder Hassverbrechen vor. Die Romodrom Civic Association bietet Unterstützung in die vielen Lebenssituationen, u.a. Resozialisierungsprogramme oder professionelle Sozialberatung. Die Zivilgesellschaft fördert politische Vorhaben wie z.B. die Einstellung von pädagogischen Mitarbeiter*innen, die Schüler*innen und Student*innen auch in ihrem Alltag unterstützen. Auch Frauenrechtsorganisationen äußern sich kritisch gegenüber starker Diskriminierung und wehren sich aktiv gegen geschlechtsspezifische Gewalt. In Prag hat u.a. das internationale Festival der Roma-Kultur „Khamoro“ für positiven Aufruhr gesorgt. Auch Ausstellungen, Theaterstücke und Konzerte über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti*zze und Rom*nja fördern mittlerweile die Aufklärungsarbeit und tragen ihren Teil dazu bei, dass Geschichte und Schicksal der Sinti*zze und Rom*nja kollektiv in Erinnerung bleiben sowie weitergetragen werden. Einen großen Anteil daran hat das Museum der Roma-Kultur in Brno, welches 1991 von Roma-Aktivist*innen und Historiker*innen gegründet wurde.
In Tschechien zeichnet sich ein drastisches Bild: Aus einer Umfrage des soziologischen Instituts der tschechischen Akademie der Wissenschaft aus dem Jahr 2015 zu Minderheiten in Tschechien geht hervor, dass gegenüber Rom*nja auch aktuell noch starke Vorurteile vorherrschen und diese dazu führen, dass sie in nahezu allen abgefragten Kategorien mit bstand am schlechtesten bewertet werden – völlig unabhängig von Bildungsgrad oder Alter der Befragten. 58% halten Rom*nja für extrem faul, 82% sind der Meinung, dass sie sich überhaupt nicht, bzw. kaum an Gesetze halten. Gleichzeitig kommt ein Bericht der tschechischen Regierung aus dem Jahr 2018 zu dem Ergebnis, dass rund 82% der tschechischen Rom*nja „sozial ausgegrenzt" sind und einen sehr schlechten Zugang zu Dienstleistungen, Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeit haben.
Aktivismus der Rom*nja in Tschechien und Kampf für Gleichberechtigung
Die vorurteilsbelastete Lebenssituation vieler Sinti*zze und Rom*nja erweckt wiederum auch in Tschechien wache Geister, die zum Widerstand aufrufen. So setzen sich heute einige Organisationen für die Belange der Rom*nja ein. Das News-Portal Romea bietet einen flächendeckenden Informationsservice in tschechischer und englischer Sprache und betreibt einen eigenen TV-Kanal. Zudem können sich Roma-Studierende auf ein Stipendium bewerben. Die Organisation In IUSTITIA wiederum setzt sich aus Anwält*innen und Sozialarbeiter*innen zusammen und geht aktiv gegen Gewalt- oder Hassverbrechen vor. Die Romodrom Civic Association bietet Unterstützung in die vielen Lebenssituationen, u.a. Resozialisierungsprogramme oder professionelle Sozialberatung. Die Zivilgesellschaft fördert politische Vorhaben wie z.B. die Einstellung von pädagogischen Mitarbeiter*innen, die Schüler*innen und Student*innen auch in ihrem Alltag unterstützen. Auch Frauenrechtsorganisationen äußern sich kritisch gegenüber starker Diskriminierung und wehren sich aktiv gegen geschlechtsspezifische Gewalt. In Prag hat u.a. das internationale Festival der Roma-Kultur „Khamoro“ für positiven Aufruhr gesorgt. Auch Ausstellungen, Theaterstücke und Konzerte über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti*zze und Rom*nja fördern mittlerweile die Aufklärungsarbeit und tragen ihren Teil dazu bei, dass Geschichte und Schicksal der Sinti*zze und Rom*nja kollektiv in Erinnerung bleiben sowie weitergetragen werden. Einen großen Anteil daran hat das Museum der Roma-Kultur in Brno, welches 1991 von Roma-Aktivist*innen und Historiker*innen gegründet wurde.